Das Original des ältesten Banners des Landes befindet sich im Besitz des Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum und ist im "Museum im Zeughaus" in Innsbruck ausgestellt. Es ist 196 x 142 cm groß und besteht aus Leinwand. Auf beiden Seiten ist dieselbe Darstellung in Öl gemalt, die man wohl dem Hofmaler Jörg Kölderer zuschreiben darf. Im Zentrum befindet sich ein großer roter Tiroler Adler, über diesem sind der österreichische Bindenschild und der schwarze Adler des Römischen Königs zu sehen. Das rechte Wappen - vermutlich das Bergwerkswappen mit Schlegel und Eisen - fehlt. Links vom Tiroler Adler ist der Hl. Georg als Drachentöter zu sehen. Er war der Schutzpatron des Landes, bis er im Verlauf des 18. Jahrhunderts stillschweigend vom Hl. Josef abgelöst wurde. Unterhalb des Heiligen kniet ein Bergknappe in seiner - damals üblichen - hellen Bergmannstracht.
Das Banner stammt aus maximilianischer Zeit und ist aufgrund der Darstellung des Wappens des Römischen Königs noch in die Zeit vor der Annahme des Kaisertitels (1508) zu datieren. Wegen des abgebildeten Bergmannes wird es als Feldzeichen der Schwazer Knappen - möglicherweise des "Stählernen Haufens" - identifiziert: Im Krieg König Maximilians I. gegen die Schweizer im Jahr 1499 zogen 1000 Schwazer Bergleute, ausgerüstet mit 897 langen Spießen, 27 Hellebarden und 48 Handbüchsen, in die Schlacht.
Nicht immer hat sich das Banner im Land befunden. Bemerkenswert ist die Geschichte seiner Rückkehr nach Tirol, worüber die Akten des Tiroler Landesmuseums Aufschluss geben. Ein knappes Jahr nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland, am 7. Februar 1939, richtete der damalige Vorstand des Ferdinandeums Dr. Oswald Graf Trapp an das Bayerische Nationalmuseum in München die Anfrage, ob diese Fahne zu erwerben sei. Der Direktor des Nationalmuseums befürwortete grundsätzlich den Verkauf, da die Fahne in München ohnehin keine Beziehung zu den anderen Sammlungsgebieten habe, und setzte die Kaufsumme mit 20.000.- Reichsmark (RM) fest. Trapp ersuchte daraufhin um Reduzierung des Preises auf RM 12.000,- und bat außerdem um die Möglichkeit der Ratenzahlung. Das Bayerische Nationalmuseum teilte daraufhin die Genehmigung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus mit: "Es wird genehmigt, dass an das Tiroler Landesmuseum in Innsbruck eine Fahne der Schwazer Bergknappen zum Preis von 12.000,- RM (zwölftausend Reichsmark) verkauft wird. Der Kaufpreis ist bei der Übergabe in einer Summe zu zahlen."
Da für Juli/August 1939 eine große Ausstellung über die Neuerwerbungen des Ferdinandeums geplant war, wobei dieses Stück keinesfalls fehlen sollte, einigte man sich im Juni auf die Zahlung von RM 6.000, bei der Übergabe und die Begleichung des Restbetrages bis 1. Dezember 1939. Diese Fahne der Schwazer Knappen ist schon wegen ihres Alters, aber auch aufgrund der künstlerischen Qualität als das Spitzenobjekt der Sammlung historischer Fahnen des Ferdinandeums zu sehen.
Bereits in der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde vom einheimischen Künstler Oswald Haller eine Kopie des Banners angefertigt.
Mit dem neuerlichen Aufblühen des Tiroler Schützenwesens in der Nachkriegszeit wurde der Wunsch nach einem gemeinsamen "Feldzeichen" als Ausdruck der Geschlossenheit und Einheit aller Schützenkompanien immer lauter. An der Wahl des alten Banners als Bundesstandarte war der damalige Adjutant Dr. Walter Zebisch wesentlich beteiligt. Am 26. Mai 1963, im Jahr der 600-jährigen Zugehörigkeit Tirols zu Österreich, wurde das erneuerte Banner vom 1. Ehrenkommandanten, Landeshauptmann Dr. Hans Tschiggfrey, als "Bundesstandarte" den Schützen übergeben. Der von den Schützen gestaltete Festakt fand in Innsbruck vor dem Landestheater statt. Die Weihe nahm der Landeskurat P. Bonifaz Madersbacher OFM vor. Als Fahnenpatin fungierte die Gattin des Landeshauptmannes.
Die ungünstigen Witterungsverhältnisse bei den zahlreichen Ausrückungen haben die Restaurierung des Fahnenblattes der Bundesstandarte notwendig gemacht. Es war wiederum Oswald Haller, der diese Arbeit übernommen und in bester Qualität ausgeführt hat. Am Nationalfeiertag des Jahres 1973 wurde die neuerliche Weihe vorgenommen, wobei die Gattin des Landeshauptmannes und Ehren-Landeskommandanten Schützenmajor Eduard Wallnöfer die Funktion als Fahnenpatin übernahm.
In äußerst sinnvoller Weise schließt die Bundesstandarte an die älteste erhaltene Fahne Tirols als Vorlage an. Diese darf als Denkmal der Tiroler Geschichte gelten und erinnert an die Zeit Kaiser Maximilians I. mit dem "Landlibell" von 1511, zu dem das traditionsreiche Tiroler Schützenwesen in besonderer Beziehung steht.
2005 wurde die Standarte neuerlich renoviert. Als Patin fungierte dabei die Gattin und spätere Witwe von Landes-Ehrenkommandant Hofrat Dr. Walter Zebisch.
Text von: Meinrad Pizzinini und Claudia Sporer-Heis (Tiroler Schützenkalender 2000)