Die vier Bischöfe des historischen Tirol, Alois Kothgasser (Erzbischof von Salzburg), Manfred Scheuer (Bischof von Innsbruck), Luigi Bressan (Erzbischof von Trient) und Karl Golser (Bischof der Diözese Bozen-Brixen) haben anlässlich des Gedenkjahres zum Herz-Jesu-Sonntag 2009 einen gemeinsamen Hirtenbrief verfasst.
Liebe Gläubige der Bistümer des alten Tirol!
Das Herz-Jesu-Fest
Im Jahre 1796 haben die Tiroler Landstände angesichts der heranrückenden Truppen Napoleons in Bozen das feierliche Gelübde abgelegt, fortan das Herz-Jesu-Fest feier-lich zu begehen, was dann auch am 3. Juni 1796 in der Bozner Pfarrkirche (damals zur Diözese Trient gehörig) zum ersten Mal geschehen ist. Es ist gut und richtig, wenn wir Gläubige, in Kontinuität mit unseren Vorfahren, geloben wollen, der uns im Herzen Je-su erschlossenen Liebe Gottes die Treue zu halten. Das für das Herz-Jesu-Fest vorge-sehene Evangelium aus dem 19. Kapitel des Johannesevangeliums schließt mit einem Schriftzitat: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben" (Joh 19,37). „In seinem Tod am Kreuz vollzieht sich jene Wende Gottes gegen sich selbst, in der er sich verschenkt, um den Menschen wieder aufzuheben und zu retten - Liebe in ihrer radikalsten Form" (Papst Benedikt XVI., Deus caritas est, 12). Das Herz rettet, indem es sich öffnet, indem es sich hingibt und sich verschenkt. So steht im Herzen Jesu die Mitte des Christentums vor uns. Und dieses Herz ruft unser Herz an. Es lädt uns ein, uns zu öffnen, zu lieben, und im Verschenken unserer selbst an ihn, unseren Gott, und mit ihm die Fülle der Liebe und des Lebens zu finden.
Das rechte Verständnis von Freiheit
Wir können die Ereignisse von 1809 im Zeichen der Freiheit interpretieren: als Versuch, die politische Freiheit von den mit den Franzosen verbündeten Bayern zu erlangen, und als Protest gegen die aufklärerische Unterdrückung lieb gewordener religiöser Bräuche. Auf diesem Hintergrund wollen wir heute fragen, was Freiheit im 21. Jahrhun-dert bedeuten kann. Freiheit kann nicht bedeuten, dass die Menschen tun und lassen können, was sie wollen. Die eigene Freiheit findet ihre Grenzen zum einen an der Frei-heit und an den Rechten der anderen Personen; zum anderen steht Freiheit immer in einem Bezug zur Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens. Wie kann dieses Leben gelingen? Wie kann der Mensch sein Glück erreichen? Werden wir glücklich und zufrieden, wenn wir uns ausleben können, wenn wir uns viel leisten können? Tun sich nicht gegenwärtig neue Konsumzwänge auf? Ist eine solche „leere" Freiheit auch wirk-lich erstrebenswert?
Freiheit kann nicht darin bestehen, sich immer alle Möglichkeiten offen zu halten, son-dern sie muss bereit sein, sich in sinnvollen Tätigkeiten zu „erfüllen" und sich für Bin-dungen zu entscheiden. Letztlich ist Freiheit auf Liebe hin ausgerichtet: auf die lieben-de Antwort auf die vorgängige Liebe Gottes; auf liebende Beziehungen zu unseren Mitmenschen; auf eine gute Selbstliebe, indem wir unsere eigenen Fähigkeiten entfal-ten; auf die Beachtung der Schöpfung und der Umwelt, in die wir hineingestellt sind und für die wir Verantwortung tragen.
Religionsfreiheit
Von diesen Vorgaben her müssen wir uns fragen, wie es mit der Religionsfreiheit - und auch mit der politischen Freiheit - in unserem Land bestellt ist. Sicherlich ist die freie Ausübung der Religion durch unsere Verfassung garantiert. Das heißt aber nicht, dass alles zum Besten bestellt ist. Es besteht ein schleichender Druck, das Religiöse aus dem öffentlichen Leben zurückzudrängen, es als lächerlich oder überaltet hinzustellen. Es gibt auch Intoleranz von laizistischer Seite her, die die Anwesenheit anderer Reli-gionen oft nur als Vorwand benutzt, um religiöses Brauchtum, entsprechende Symbole oder Feiern etwa aus Schulen oder Kindergärten zu verbannen.
Das Bekenntnis zur Religionsfreiheit als Grundrecht aller Personen verlangt, dass wir die Ausübung anderer Religionen zulassen und dafür auch die Voraussetzungen schaf-fen - in Einschätzung der jeweiligen Bedürfnisse und mit der Auflage, dass die Bestim-mungen unseres Rechtsstaats anerkannt werden. Religionsfreiheit bedeutet auch, dass man der Kirche zugesteht, sich im Dienste des Gemeinwohls für die Rechte aller Per-sonen, auch der ungeborenen Menschen und der Menschen mit Behinderung, der Kranken und Pflegebedürftigen, einzusetzen.
Politische Freiheit
Was die politische Freiheit betrifft, so darf sie nicht allein auf die Zugehörigkeit zu ei-nem bestimmten Staat reduziert werden. Es muss die Gesamtlage im 21. Jahrhundert bedacht werden: das mühsame Streben der Völker Europas, allmählich zusammenzu-wachsen und verschiedene Schranken abzubauen, ebenso die wirtschaftlich globali-sierte Welt, die jetzt in Krise geraten ist, sodass sich die Schere zwischen den Weni-gen, die man als reich bezeichnen kann, und den Vielen, die in Armut leben, immer weiter öffnet - auf Weltebene, aber auch in unseren eigenen entwickelten Ländern. Po-litik steht im Dienste der sozialen Gerechtigkeit, des Friedens und der Erhaltung eines guten Lebensraumes auch für kommende Generationen.
Das Herz Jesu, die Heimat und der Friede
Blicken wir nochmals zurück auf das Herz Jesu, zu dem die Tiroler auf Grund ihrer Ge-schichte eine besondere Beziehung haben. Die im Herzen Jesu geoffenbarte Liebe Gottes verlangt von uns andauernde Bekehrung zur hingebenden Liebe. „Mach unser Herz gleich deinem Herzen", beten wir in der Herz-Jesu-Litanei. Wir müssen uns auch immer bewusst sein, dass die Verehrung des Herzens Jesu nicht ein Privileg der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung Tirols ist. Das Herz Jesu gehört allen Völkern und Sprachen. Auch andere Völker pflegen eine lange Tradition der Herz-Jesu-Verehrung.
Der Begriff „Heimat" ist sehr wichtig. Heimat hat mit Identität und Kultur zu tun und reicht tief in die Welt unserer Gefühle hinein. In unserer offenen Welt unterliegt der Be-griff einem Wandel, er hat schon je nach dem Lebensalter der Menschen eine unter-schiedliche Bedeutung. Wir müssen es zulassen, dass Menschen anderer Sprache und Kultur sich bei uns beheimatet fühlen, wir müssen sogar dankbar sein, dass sie sich für unsere Heimat einsetzen wollen. Als Christen wissen wir, dass unsere eigentliche Hei-mat im Himmel ist (vgl. Phil 3,20; Hebr 11,14), wo wir eingehen in die Liebe Gottes, die sich uns im Herzen Jesu erschlossen hat. Von daher bekommt auch die Heimat - und bekommen alle irdischen Dinge - einen vorletzten Wert. Dabei ist es wichtig, dass wir der Heimat mit unserem Einsatz eine Zukunft sichern, damit auch jene, die nach uns kommen, einen angemessenen Lebensraum vorfinden. Dies verlangt den Einsatz für den Frieden und den Einsatz für die Erhaltung unserer Umwelt. Der Friede ist Werk der Gerechtigkeit, ja Frucht der Liebe, wie es uns das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt hat (vgl. Gaudium et spes, 78).
Letztlich ist Christus unser Friede (vgl. Eph 2,14), denn er hat durch seine hingebende Liebe am Kreuz alle trennenden Wände der Feindschaft überwunden und in seiner Person die Möglichkeit eröffnet, neue Menschen zu werden. Alles ist durch Christus und auf ihn hin geschaffen, alles wird einmal in ihm erneuert und zusammengefasst, damit Gott alles in allem ist, damit alles eingehe in die ewige Liebe Gottes.
In diesem Sinne beten für Sie und segnen Sie die Bischöfe des alten Tirol:
Erzbischof Alois Kothgasser, Salzburg
Erzbischof Luigi Bressan, Trient
Bischof Manfred Scheuer, Innsbruck
Bischof Karl Golser, Bozen-Brixen